Kinder- und Familienarmut - (k)ein Thema für Dithmarschen?

Kinder- und Familienarmut - (k)ein Thema für Dithmarschen?

Kinder- und Familienarmut - (k)ein Thema für Dithmarschen?

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Kinder- und Familienarmut - (k)ein Thema für Dithmarschen?

Meldorf / (joc) Wie stehen die politischen Parteien angesichts der am 14. Mai bevorstehenden Kommunalwahl zur Kinder- und Familienarmut in Dithmarschen? Haben sie dieses Thema angemessen auf dem Schirm und wie sehen ihre Lösungsvorschläge aus? Das wollte das Diakonische Werk des Kirchenkreises Dithmarschen von den acht derzeit im Kreistag vertretenen Parteien wissen und bat um die Beantwortung von insgesamt acht Fragen aus den relevanten Themenbereichen.

 

„Unser Fachtag im Januar hat aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht aufgezeigt, wie dramatisch die Situation in Dithmarschen ist“, berichtet Andreas Hamann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes. Demnach sei nahezu jedes fünfte Kind, jeder fünfte Jugendliche auf Transferleistungen angewiesen – der mit Abstand höchste Wert in Schleswig-Holstein. Eltern berichteten im Rahmen des Fachtages, dass sie keine bezahlbaren Wohnungen finden, die Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, Kinderkleidung und -schuhe zu teuer sind und sie bei gesunden Lebensmitteln sparen müssen. Ein unzureichend ausgebauter ÖPNV sorge für schlechte Mobilität, das wiederum erschwere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, aber auch das Erreichen von Arztpraxen. Auch ein oft nicht ausreichend vorhandenes Angebot für die Betreuung ihrer Kinder verschlechtere zudem berufliche Möglichkeiten von Eltern.

 

Die Ergebnisse dieses Fachtages nahm Andreas Hamann zum Anlass, den Kreistagsparteien konkrete Fragen zu den Themenbereichen „Wohnen“, „Mobilität“, „Bildung und Betreuung“ sowie „Gesundheit“ zu stellen. „Das sind die sozialpolitischen Themenbereiche, die in den letzten Monaten sehr vielen Menschen in Dithmarschen unter den Nägeln brannten und immer noch brennen. Die drohende Energieknappheit und die Inflation haben die Menschen zusätzlich verunsichert“, so Andreas Hamann. Bemerkenswert: Von den acht im Dithmarscher Kreistag vertretenen Parteien antwortete nur die Hälfte: CDU, SPD, FDP und die Grünen.

 

Aus Sicht des Diakonischen Werkes lassen sich einige markante Tendenzen in den Antworten der vier Parteien, die dankenswerterweise an der Umfrage teilgenommen haben, erkennen.

 

Zum Themenfeld „Wohnen“:

  • Einige Parteien setzen auf klare Regulierungen im Wohnungs(neu)bau: SPD und Grüne favorisieren eine 30-%-Anteil für Wohnungen mit Sozialbindung, während die FDP über Deregulierung ein attraktives Umfeld für Wohnungsinvestoren schaffen will und die Kommunen in die Pflicht nimmt. Die CDU will die Rahmenbedingungen anpassen, strebt gemeinsam mit den Kommunen eine Wohnungsbaugesellschaft an und plädiert für pragmatisch-innovative Lösungen vor Ort.  Die SPD plädiert zudem für ein erfolgreiches Modell der Vermittlung von sozialem Wohnraum, das bereits in Nordfriesland („wohnEck NF“) erfolgreich umgesetzt wird.

  • Angesichts der wirklich dramatischen Wohnraumsituation und dem damit verbundenen sozialen Konfliktstoff ist es aus Sicht der Fachleute des Diakonie-Fachtages nicht ausreichend, allein durch Anreize eine Trendwende zu schaffen: „Es braucht konkrete Regelungen und auch ordnungspolitische Rahmen (z.B. Drittelregelung), vielleicht sollte sogar über ein Vorkaufsrecht von Kommunen bei der Veräußerung von Wohnraum nachgedacht werden?“, so Andreas Hamann.

 

Zum Thema „Mobilität“:

  • Alle Parteien plädieren für einen Ausbau der ÖPNV-Strukturen. Es sollen neue Ansätze wie der „on-demand-Verkehr“ (CDU und FDP) sowie private Initiativen (FDP) bzw. Fahrradmitnahmemöglichkeiten (Grüne) unterstützt werden. Die SPD unterstützt verstärkte Werbung für bestehende Angebote und eine verstärkte Stundentaktung der Buslinien.

  • Alle Parteien haben zudem durch einen entsprechenden Beschluss des Kreistages vom 14.3.23 das geplante „49 € - Ticket“ zu einem kostenlosen Angebot für alle Schüler*innen in Dithmarschen gemacht. Aus Sicht des Kirchenkreises ist das für Dithmarschen eine ausgesprochen erfreuliche Nachricht! Die vielfachen Versprechen zum Ausbau des ÖPNV gilt es auch zukünftig einzufordern und kritisch zu begleiten.

 

Zum Thema „Bildung und Betreuung“:

  • In diesem Themenfeld wurde der Fokus besonders auf die Kitas gesetzt: SPD, FDP und Grüne Parteien setzen sich langfristig für eine kostenfreie Kita ein. Für die SPD ist dieses ein sehr drängendes Thema, das zügig umgesetzt werden muss. Für die Grünen und die FDP ist die Umsetzung „mittelfristig“ anzustreben. Kurzfristig hat die Qualitätsverbesserung Vorrang. Für die CDU ist eine generelle Kostenbefreiung aktuell nicht leistbar. Gedeckelte Beiträge und Sozialstaffeln sollen aber weiterhin alle Familien unterstützen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wird von allen Parteien unterstützt. Alle beschreiben aber auch die Komplexität der Thematik besonders bei der angemessenen Bedarfsplanung, bei anstehenden (Neu-)baumaßnahmen, bei der Achtung der Träger- und Angebotsvielfalt und vor allem beim bestehenden Fachkräftemangel im Erzieher*innen-Bereich, wo besonders die Gestaltungspflicht des Landes betont wird.

  • Der Kirchenkreis Dithmarschen ist mit seinem Kita-Werk der größte Träger im Kreisgebiet. Das Engagement aller Parteien für „ihre“ Kitas wird positiv bewertet. Ute Friedrichsen, Geschäftsführerin des Kitawerkes: „Wir sehen hier genau wie die Parteien das aktuell vordringlichste Problem im Fachkräftemangel. Das Land hat hier zu spät reagiert und muss hier umgehend nachsteuern. Dass dann auch noch in Dithmarschen das BBZ aufgrund eigener personeller Engpässe im kommenden Schuljahr keine Erzieher ausbilden wird, setzt dem Ganzen im Prinzip fast noch die Krone auf und könnte nicht kontraproduktiver sein. So lässt sich der Mangel an qualifiziertem Personal für unsere Kitas definitiv nicht beheben!“

 

Zum Thema „Gesundheit“:

  • Gute Ernährung ist für die Gesundheitsförderung besonders wichtig. Tafeln haben deshalb aktuell hohe Bedeutung: Die SPD erkennt den aktuellen Bedarf, Tafeln eventuell durch Kreiszuschüsse zu unterstützen. Besser wären aber langfristige Ansätze über auskömmliche Löhne und Renten. Die CDU lobt dein Einsatz der Tafeln und wilöl deren Arbeit weiterhin unterstützen. Die FDP will Tafeln langfristig überflüssig machen und sieht das Bürgergeld als einen guten Ansatz. Auch die Grünen liegen nahe bei dieser Position: Tafeln müssen unterstützt werden, dürfen aber nicht zu einem Dauerinstrument der Grundversorgung werden.

  • Zum kreisweit kostenfreien Mittagessen an Schulen und Kitas wird von Seiten der CDU auf vielschichtige Problemlagen (Situationen vor Ort, verschiedene Trägerschaften etc.) hingewiesen, die eine Lösung schwierig machen. Trotzdem wolle man sich für gesunde Ernährung in Bildungseinrichtungen einsetzen. Die SPD verweist bei der Schulspeisung auf die Zuständigkeit des Landes. Im Kontext der Kitas müssten Land, Kreis und Gemeinde sich verständigen. Die FDP verweist darauf, dass sie im Landtag einen Antrag auf kostenloses Mittagessen in Kitas gestellt hat, der von CDU und Grünen abgelehnt worden sei. Die Grünen wollen im Laufe der nächsten 5 Jahre die kostenlosen Angebote in Kita und Schule erreichen.

  

Resümee des Kirchenkreises:

Andreas Hamann sieht nach Auswertung der Antworten vor allem einen Punkt: „Für uns bleibt eine Kernfrage offen, ja geradezu unbeantwortet, gerade in dieser sozial so angespannten Zeit: Warum treten die Parteien, wo sie doch die Problemstellungen vor Ort erleben und durch direkte Kontakte gut kennen, gegenüber dem Land und dem Bund nicht sehr viel fordernder und mahnender auf und fordern die finanziellen Mittel ein, die für die Gestaltung eines sozialen Miteinanders vor Ort elementar wären?“

 

So wünscht sich das Diakonische Werk eine in diesem Sinne konzertierte Aktion der Kreise und Kommunen über Parteigrenzen hinweg: „Wer auf Kreisebene nimmt das Land oder auch den Bund stärker in die Pflicht, auch wenn – oder gerade, weil – dort Mitglieder der eigenen Partei in der Verantwortung stehen?“, fragt Andreas Hamann. Die Umfrage habe immerhin das Ergebnis gebracht, dass die Problemlage in Dithmarschen weitgehend erkannt sei, es aber zu oft an konkreten Lösungen oder aber an der Finanzierung dieser Lösungen mangele. „Hier wünschen wir uns insbesondere für die Kinder und Familien mehr Einsatz über Kreis- und Parteigrenzen hinweg!“

Hier finden Sie alle Fragen und Antworten in der Übersicht (pdf-Download).

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